In Arbeit / Work in Progress von Hans Braumüller
Die Familie Chen stammte ursprünglich aus Hong Dong, Shanxi, und zog 1374 nach Wen County, Henan. Das Chen Dorf in Chenjiagou war und ist bis heute bekannt für seine Kampfkünste und einige würdigen Chen Bu (den Gründer des Familienclans als die Person, die die Kampfkunsttradition der Chen-Familie begann.
1597 – 1664 Chen Wangting
Die meisten Quellen nehmen an, dass Taijiquan Chen Wangting (Chen-Familie der 9. Generation) zugeschrieben werden kann. Chen Wangting entwickelte das Chen Taijiquan als Familienkunst, hauptsächlich, als nach dem Sturz der Ming Dynasty 1644, er sich mit 47 Jahren in sein Heimatdorf Chenjiagou zurückzog. Einige Quellen geben ihm den Rang eines Oberst, andere eines Generals.
Chen Wangting wurde insbesondere von den Aufzeichnungen des General Qi Jiguang (Ch’l Chi Kuang) beeinflußt. General Qi Jiguang schrieb ein wichtiges Lehrbuch über militärische Ausbildung mit dem Titel Boxen in 32 Formen, auch bekannt als „Boxing Classic“. Die meisten dieser Bewegungen wurden in das Kampfkunstsystem der Chen-Tradition aufgenommen, das bis heute praktiziert wird.
Diese Bewegungen der klassischen harten Kampfkunst wurden mit Daoyin und inneren Aspekten der Energieführung kombiniert. In einem Gedicht / Lied was Chen Wangting zugeschrieben wird, nennt er „Klassiker des gelben Innenhofes über die innere und äußere Jadelandschaft“) von Frau Wei Huacun (etwa 251–334 n. Chr.) dafür als Inspirationsquelle.
Da Chen Xin sich ca. 250 Jahre später nicht auf diese daoistische Quelle bezieht, sei es dahin gestellt, ob es nicht zur Hervorhebung dient, um die Wichtigkeit, dieser Aspekte der inneren Kampfkunst zu betonen. Es fällt auf dass auch Laozi kaum Erwähnung findet, dafür aber Mengzi / Menzius (ca. 370 v. Chr. – 290 v. Chr.) und andere Gelehrte der konfuzianischen Philosophie.
1724-1783 Chang Naizhou
Chang Naizhou, lebte und praktizierte in der Provinz Hénán, im Zentrum der chinesischen Kultur und Kampfkunst in der Nähe des Shàolín-Tempels, des legendären Luòyáng und des Chen-Dorfes Chenjiagou. Seine umfangreichen Schriften spiegeln viele der Ideen wider, die heute aus dem klassischen Taijiquan-Texten bekannt sind (Douglas Wile führte hier eine weitreichende Textanalyse durch). Marnix Wells reiste in das Dorf von Cháng, wo die Familie des Meisters seine Tradition des Cháng-Boxens fortsetzt, und übersetze ins Englische die Schriften von Chang Naizhou.
https://chinesemartialstudies.com/2015/05/07/five-moments-that-transformed-kung-fu/
- https://www.amazon.de/Tai-chi-Classics-Dynasty-Chinese-Philosophy/dp/0791426548
1849-1929 Chen Xin
Später schrieb und illustrierte Chen Xin (Chen-Familie in der 16. Generation) ca. 14 Jahre lang ein umfangreiches Buch über Chen Taijiquan (Deutsche Ausgabe ohne die Form, Englische Ausgabe mit der Form gibt es im Netz als Ebook), einschließlich Körperhaltungen, Bewegungen und des philosophischen und medizinischen Hintergrunds der Routinen.
Wie bei Chang Naizhou, spielt in dem Buch von Chen Xin das I Ching und die chinesische Heilkunst basierend auf den 5 Elementen und den Meridianen eine herausragende Rolle. Wie Chang Naizhou bezieht sich auch Chen Xin auf die Energie im Zentralkanal, und beide verweisen auf das Tai Chi, Yin und Yang sowie die Trigramme. Chen Xin insbesondere führt sehr viel über die Hexagramme aus, und ordnet sogar einzelnen Routinen einzelne Hexagramme zu, um Bedeutungen und Zusammenhänge anzudeuten, die einem im Moment der Ausführung der Form nicht bewusst sein kann.
Taiji besteht aus den zwei Formen (Liang-yi 1), repräsentiert durch Himmel und Erde, Yin und Yang, Schließen und Öffnen, Bewegung und Stille, Weich und Fest, Schwach und Stark, Falten und Strecken, Kommen und Gehen, Vorwärts und Rückzug, Sein und Nichtsein, Ein- und Ausatmen, das Veränderte und Unveränderte, das Leere und Volle, das Sichtbare und Unsichtbare, das Gesunde und Ungesunde, die Erfolge und Misserfolge.
Wenn sich die Taiji-Praktizierenden mit den Details aller Bedingungen in Bezug auf Spannung und Entspannung, die Beziehung zwischen Vertikal und Horizontal, Veränderungen, Transformationen usw. beschäftigen, sollte sie wissen, dass man sich zum Kontrahieren zuerst ausdehnen muss, um niederzuwerfen, muss man zuerst anheben, um zu ergreifen muss man erst loslassen. Um sich komplett einheitlich zu entwickeln, muss man zuerst danach suchen, sich zu dehnen und auszudehnen, dann erst kann ein Zusammenziehen und Akkumulation folgen.*2
Vertraue nicht zu allzu sehr auf die anderen und gib niemals auf*3. Konzentriere dich darauf, Stärke anzusammeln und sie in Energie von guter Qualität zu verfeinern, die du dazu verwendest, dich selber in deiner Existenz damit bis zum Rand aufzufüllen. Um dies zu erreichen, muss Du zuerst den Weg der Fülle und Leere durch die sichtbaren Formen des Eintretens und Austretens erkennen. Erhalte somit Geist, indem Du Wissen in Weisheit verwandelst und dies in deinem Innern mit der Lehre von Gast und Gastgeber*4 speicherst. Es erscheint dir der Kurs der Goldenen Mitte*4, der Weg des wahren Herrschers.
Der Weg des wahren Herrschers ist ein Weg, bei dem Autorität und Verantwortung ein Gleichgewicht finden zwischen voll und leer, kurz und lang. Es spiegelt sich im Weg des Göttlichen Drachen*6 wider. Während dieser in unaufhörlicher Verwandlung hin und her kreist, wägt er Aktion und Ruhe, Bewegung und Stille, Vor- und Nachteile ab, um dann ohne Angst und Emotionen zu handeln, dabei unterscheidet er nicht zwischen Muskeln und Haut, Knochen und Sehnen, vorher und nachher, vor und zurück, links und rechts, hoch und runter, oberhalb und unterhalb.
Stattdessen bleibt der Drache genau in der Mitte der vier Himmelsrichtungen und dreht sich leicht und beweglich; nach oben angreifen und nach unten verteidigen, weder schnell noch langsam, sondern die Leere bedeutsam und völlig Wirklichkeit werden lassen.
Chen Xin, übersetzt aus dem Englischen, Seite 174, The Illustrated Canon of Chen Family Taijiquan
1 兩儀 ( Himmel und Erde; yang und yin) Die Interaktion dieser beiden Kräfte wird Liangyi (Dualität) genannt.
2 Kleine Kreise, Anmerkung von Hans Braumüller.
3 Viele reden viel, aber können wenig, Anmerkung von Hans Braumüller.
4 Guest and Host, noch zu klären, worauf sich Chen Xin hier bezieht
5 Golden Mean: https://en.wikipedia.org/wiki/Doctrine_of_the_Mean
6 Uraltes Symbol, taucht in vielen Zivilisationen auf. In China mit imperialer Macht und Himmel (Yang) assoziiert https://en.wikipedia.org/wiki/Chinese_dragon
Dieses Buch wurde erst 1932 veröffentlicht, als Chen Changxings Urenkel Chen Fake außerhalb des Dorfes Chen-Stil in Peking lehrte. 1911 soll er es beendet haben. Viele glauben, dass Chen Fake der führende Könner des Chen-Stils war, und er unterrichtete bis zu seinem Tod im Jahr 1957 sehr viele Praktizierende.
Mein Lehrer Jan Silberstorff hat gerade eine Biographie von Chen Fake veröffentlicht.