Ein Erfahrungsbericht
Der biographische Kontext meiner Praxis
Das Stille Qi Gong ist in eine Praxis eingebettet, die ca. 1994 von meiner Rückkehr aus Santiago de Chile nach Hamburg, anfing. 2 gute Freunde aus meiner Schulzeit praktizierten in dieser Zeit Tai Chi Chuan Chen Stil nach Chen Xiaowang. Sie hatten schon jahrelang mit Jan Silberstorff, der dann Meisterschüler von Chen Xiaowang wurde, im Park geübt, bevor dieser seine eigene Schule eröffnete. Also begann ich bei Jan Silberstorff dieses Tai Chi Chuan im Chen Stil zu üben.
Kurz bevor ich die erste Langform beendete, hörte ich bei Jan Silberstorff nach ca. zwei und halb Jahren auf. Vor allem störte es mich das der Kampfaspekt so in den Vordergrund stand. Als ich mich bei den Push-Hands verletzte, da mein Partner mit purer Kraft, anstatt Qi das Sparring gewinnen wollte, nahm ich dies als Anlass diesen Kampfweg nicht weiter zu verfolgen.
Ich hatte mich schon während meines Kunststudiums intensiv mit Lao Tse und dem Tao beschäftigt, es war vor allem, diese Philosophie, die mich am Tai Chi Chuan interessierte.Bei Jan Silberstorff übten wir eine zeitlang das Tai Chi Qi Gong als Aufwärmübung, später ein spezielles Qi Gong der Chen Familie, Reeling Silk genannt, bei der man das Abwickeln des Qi aus dem unteren Dantian, wie einen Seidenfaden übt: Wenn die Bewegung zu langsam ist, kann der Faden sich nicht abwickeln, wenn die Bewegung zu schnell ist, reißt der Faden.
Mir gefiel diese Konzentration auf das Wesentliche, ohne die unzähligen Varianten der 13 Grundbewegungen vom Tai Chi Chuan. Damals trainierte ich ca. 1,5 Stunden täglich. Um weiterzukommen, hätte ich wie Jan Silberstorff Lehrer werden können, um mit diesem Zeitaufwand Geld verdienen zu können.
Bei Jan Silberstorff hatte ich zum ersten Mal Kontakt zum Stillen Qi Gong, nämlich zu Zhan Zhuang, der stehenden Säule. Jan Silberstorff erzählte damals, dass Chen Xiaowang diese Übung in das traditionelle Chen Training mit aufgenommen hatte. Eine der wenigen Übungen, die aus einer anderen Familientradition stammt. Ich wurde ein Anhänger dieser Übung, damals konnte ich während des Trainings ca. eine Stunde stehen.
Daher war der Tag als Zhi Chang Li diese Übung vorführte, und einige zusätzliche Aspekte einbrachte, für mich ein besonderes Highlight dieser Ausbildung. Die Einstimmung in die Zhan Zhuang Übung, ist etwas anders als die der Chen Xiaowang Tradition, aber prinzipiell ist diese gleich, wobei Zhi Chang Li mehr Wert auf die Entspannung beim Üben liegt, als bei Jan Silberstorff, wo doch sehr formell die Körperausrichtungen korrigiert wurden.
Die Ausrichtung der Wirbelsäule mit der magischen Seiltechnik von Zhi Chang Li, wo man sich in Entfernung einen Baum vorstellt, mit dem man mit einem elastischen Seil in Verbindung steht, der je nach dem vorne oder hinten steht, um sich daran auszurichten, hat mir sehr gefallen, und hat mich Bereichen meiner Wirbelsäule näher gebracht.
In der Theorie habe ich sehr gute Erklärungen für die Ausführung des Zhan Zhuang, welches auch Stehen wie ein Baum genannt wird, bei den Büchern von Bruce Frantzis gefunden. Genau wie Zhi Chang Li teilt Bruce Frantzis mit, dass es mehr als 200 Haltungen im Zhan Zhuang gibt. Wobei die Haltungen, verschiedene Bewegungen des Qi verursachen und Einfluss auf das Qi im Körper nehmen, die sehr fein gesponnen sind, aber gröber, als das Einwirken über die Akupunkturpunkte mit einer Nadel. Stuart Olson übersetzt von den Geheimen Trainingsdokumenten der Familie Yang in dem Buch “Das Qi Pflegen”, dass die Tai Chi Chuan Form eine Aneinanderreihung von Zhan Zhuang Formen sind, die im Idealfall in einer fließenden Bewegung und fließenden Übergängen bzw. Wechsel ausgeführt werden. Aus dieser Aussage, lässt sich klar ableiten, dass jede Einzelform im Tai Chi Chuan, auch als Zhan Zhuang geübt werden kann.
Seitdem Zhi Chang Li uns Zhan Zhuang gezeigt hat, habe ich wieder angefangen Zhan Zhuang zu üben, aber nur solange, bis ich mich nicht verspanne, was je nach Qi Gong Zustand, von ca. 10 bis 30 Minuten dauern kann.
Als ich dann mit Tai Chi Chuan aufhörte, habe ich Zhan Zhuang und das Tai Chi Qi Gong intensiver geübt, bis ich ca. im Jahr 2000 von einer Bekannten in Rahmen einer Fortbildung ein anderes Qi Gong lernte, was ähnlich dem Tai Chi Qi Gong von Jan Silberstorff (18 Übungen) war. Das übten wir zusammen während der Mittagspause. Zwischendurch hatte ich ca. 1 Jahr ein Finger Qi Gong von Foen Tjoeng Lie, nach einem Kolibri-Seminar bei Ihm, geübt, was mir aufgrund der buddhistischen Strenge nicht so zusagte, um es heute noch zu üben. Die besondere Variante von Zhan Zhuang und dabei einzelne Finger zu bewegen, war aber sehr erfahrungsreich und erhöhte mein Bewusstsein in dieser Region meiner Extremitäten.
Im Jahre 2001 hatte ich das Glück mich für das Seminar Fan Huan Gong bei Petra Hinterthür einzuschreiben. Seitdem übe ich fast täglich Fan Huan Gong. Am liebsten schließe ich heute nach dem kurzen Stehen beim Abschluss des Fan Huan Gong und Sinken des Qi, die Zhan Zhuang Form an. Dann stehe ich solange ich intuitiv versinken kann.
Seit ca. einem Jahr muss ich beim Fan Huan Gong und dem Stillen Qi Gong fast immer rülpsen, bzw. vom Unterbauch her aufstoßen. Dies kommt immer sehr spontan, und kann manchmal sogar sehr laut sein. Dieses Phänomen hat erst in letzter Zeit abgenommen.
Die Erfahrungen meiner Praxis
Nach einem Wochenendseminar habe ich ziemlich im Anschluss sofort die neuen Übungen geübt, um die Übungen im Körper zu speichern, und so nicht zu vergessen. Nebenbei führe ich ein Buch, wo ich meine Aufzeichnungen ins Reine übertrage. Für mich waren die Stunden, wo Zhi Chang Li den Kontext der Übungen erläuterte, am Interessantesten. Auch seine Ausführungen zu den verschiedenen Schulen, Schriftzeichen, Philosophie und Religion. Wenn ein Name oder eine Quelle erwähnt wurde, konnte ich dann zuhause weiter im Internet recherchieren und mir ein umfangreiches Bild machen.
Denn ich mache Qi Gong sei es stilles oder bewegtes um Erkenntnis zu gewinnen, um den Tao eine Form zu geben, es ganzheitlich zu verstehen. In Altamerika, womit ich mich seit meiner Jugend beschäftige, gibt es auch Traditionen in dieser Hinsicht, aber das meiste ist verloren gegangen, da diese Kulturen und Zivilisation systematisch über Jahrhunderte von der westlichen Dominanz zerstört wurden. Einige Heiltänze und der Schamanismus ist bei einigen Völkern noch erhalten, sowie die Kommunikation mit den Vorfahren, der Erde und den Kosmos. So gibt es in unzähligen Maya-Statuen und Bildglyphen zum Beispiel spezielle Handmudras, die stark an Indien erinnern. Auch konnte ich in Mexiko kleine Keramikfiguren im Museum entdecken, wo Frauen und Männer mit bestimmten Körperhaltungen dargestellt werden.
In China gibt es noch diese ununterbrochene Tradition und daher kann ich heute durch den Qi Gong Zustand Verbindung aufnehmen und selbst Dasein in einem Zeitraum des Geistes, der uns als Menschheit seit jeher verbindet.
Im Laufe dieser 2 Jahre haben sich bei mir bestimmte Übungen herausgestellt, die ich besonders übe, meistens komme ich am Wochenende dazu, länger als eine Stunde zu üben. Während der Woche schließe ich zur Zeit nach dem Duft Qi Gong, das ich seit September 2010 abends ausführe, noch ein kurzes Stilles Qi Gong im Bett an. Meistens mache ich gar keine Übung, sondern versinke in Stille, bis ich eine Anregung aufnehme und zum Beispiel dann 4 mal den Kleinen Kreislauf durchgehe, wobei ich meistens mit der Oberfläche der 9 Stationen und dann zum tieferen der 7 Stationen wechsle. Bevor ich mit dem Duft Qi Gong, Xiang Gong angefangen habe, habe ich abends im Sitzen eine Stille Übung geübt. In 2 Perioden habe ich monatelang intensiv morgens vor der Arbeit „Die 6 heilenden Laute“ geübt. Das war eine sehr schöne Erfahrung.
Ich konnte bemerken, dass ich eine viel bessere Laune während der Arbeit hatte und mich vieles gar nicht mehr so aufregte, auch wuchs meine Konzentration und Klarheit im Geiste. Neben den 6 heilenden Lauten, gehören heutzutage zu meinen Repertoire die beiden schon erwähnten Kleinen Himmelskreisläufe, die Wirbelsäulenübung, wo zuerst durch die Organe pulsiert wird und dann von oben herab Wirbel für Wirbel durchgegangen wird. Auch mag ich die After-Übung, die ich manchmal vor der Wirbelsäulenübung oder den Kreisläufen praktiziere, da diese einfach ist. Manchmal kann ich fühlen, wie mein Steißbein und Kreuzbein voller Energie ist, und versucht sich zu öffnen, also durchlässiger wird.
Die Erdbottich-Übung habe ich eine Zeitlang geübt, bemerke aber Verspannungen, daher bin ich da etwas vorsichtiger beim Üben geworden, und versuche mich daran, wenn ich nur in einer tiefen Versenkung bin. Später beim Üben zuhause, während der Bauchnabel-Übung vom Seminar im Dezember 2010, hat mein Bauchnabel bzw. die Zone dort, kurz selbstständig geklopft, und es ist manchmal so, als ob der Unterbauch leicht pulsieren würde.
In den ersten Monaten der Ausbildung, habe ich ausschließlich die Kröten-Atmung geübt. Diese übe ich auch noch heute ab und zu, da diese sehr einfach ist, und ich so leichter in eine Versenkung geraten kann. Ich finde es spannend zu beobachten, inwieweit diese Versenkung oder Qi Gong Zustand Phänomene auftreten lassen, die jenseits unseres Bewusstseins liegen. Man sollte sich aber nicht zu viel davon versprechen oder glauben, dass dieser Zustand Wunder bewirken kann, was öfters in der Esoterikszene verbreitet wird.
Fazit
Als momentanes Fazit, kann ich heute festhalten, dass ich durch die Lehren und Übungen von Zhi Chang Li vieles gelernt habe, was vor allem meine Fan Huan Gong Praxis erheblich bereichert hat. Ich kann heute die 8 bewegten Übungen viel mehr aus dem Inneren fühlen und es kann mir passieren, dass ich mich spontan intuitiv anders bewege, als die Bewegungsform es einen vorgibt.
Nach einem Seminar mit Zhi Chang Li, passiert mir selten, dass das Qi von der Erde sich von meinen Füßen anfängt, sich im Körper hoch zu bewegen. Manchmal so heftig, dass mein ganzer Körper anfängt zu vibrieren. Gebe ich meinem Körper nach, bewegt er sich so ähnlich wie bei der Schüttelübung von Zhi Chang Li. Manchmal nutze ich die aufsteigende Energie bzw. Vibration wie Mineralwasser mit viel Kohlenstoff für die Bewegung, d.h.ich integriere Sie in den Ablauf, und kann dann bemerken, wie die Vibrationen der Energie von dem einen Bein ins andere wechselt, je nach Gewicht, also dem verbundenen vollen Bein mit der Erde. Einmal musste ich Fan Huan Gong abbrechen, da die Vibrationen sehr heftig waren. So stand ich bestimmt über eine halbe Stunde im Zhan Zhuang, mit dem inneren Fühlen wie langsam das „Blubbern“ der kühlen Energie abklingt , um in Stille abzuschließen.
Interessant ist, dass wenn ich zu viel darüber nachdenke, sofort der Qi-Fluss aufhört und die Energie abbricht. Walter Gutheinz, auch ein langjähriger Praktizierender des Fan Huan Gong, hat mir erzählt, dass so eine Energie auch vom Himmel kommen kann, dann aber absteigend und mit einer anderen Stofflichkeit. Dank Zhi Chang Li habe ich wieder mit Zhan Zhuang angefangen, und integriere im Stehen manchmal eine der oben erwähnten Übungen des Stillen Qi Gong. Ich kann im Stehen entspannen, und suche diesen Ausgleich, da ich viel sehr viel sitze, während meiner derzeitigen hauptberuflichen Tätigkeit am Computer. Daher mag ich auch die 6 heilenden Laute, wo der Laut eine Vibration erzeugt, die den ganzen Körper durchdringt.
Ich danke Zhi Chang Li, allen vorherigen Lehrern und dem Universum und für dieses Geschenk des Stillen Qi Gong. Zhi Chang Li besonders für seine Hingabe und die ausdauernde Übermittlung seiner Erfahrungen.
H.B., Hamburg, 11.02.2011
Nachtrag: 02.04.2017. Seit ca. 1 1/2 Jahren habe ich wieder mit Taijiquan Chen angefangen. Bei einem Schüler von Jan Silberstorff, Ralf Anlauf in Hamburg. Ich lerne und laufe seitdem die 19er Form von Chen Xiaowang. Mit zunehmendem Alter ist es mir ein Bedürfnis geworden mich wieder mehr im Raum zu bewegen. Besonders gerne praktiziere ich im Freien in der Natur. Mein volles Programm beträgt Sonntags vormittags vor dem Frühstück:
- Zhan Zhuang
- (in einer weiterführenden Methode, die ich entwickelt habe, wobei die Hände sehr langsam nach oben über Schwingungen und Wellen steigen, in die obere Position, vor dem mittleren Dantian, um diese später vor dem unteren Dantian gleiten zu lassen)
- Xiang Gong – Duft Qi Gong 1 und 2
- Taijiquan Chen 19er Form 2X
- Fan Huan Gong 3 oder 4 je Übung